Die Wunder Jesu – Wahrheit oder Legende?

Die Evangelien des Neuen Testaments berichten von vielen Wundern Jesu. Experten haben diese Phänomene nun wissenschaftlich untersucht. Sind die Erzählungen über Jesus lediglich Legenden? Oder könnten sie wahr sein? Im Markusevangelium wird beschrieben, wie die Jünger Jesu auf dem See Genezareth in einen Sturm geraten und um ihr Leben kämpfen. Jesus ist an Land geblieben, um zu beten. Als er jedoch sieht, wie sehr sich seine Jünger fürchten, kommt er ihnen über die Wasseroberfläche des Sees entgegengelaufen. Doch wie ist das möglich?

Wandeln auf dünnem Eis
Der Wissenschaftler Doron Nof, Professor für Ozeanographie an der University of Florida, hat sich mit diesem Wunder Jesu eindringlich beschäftigt und eine wissenschaftliche Erklärung gefunden. Seiner These nach könnte sich aufgrund des damals wesentlich kühleren Klimas eine Eisschicht auf dem See Genezareth gebildet haben, die einen erwachsenen Menschen hätte tragen können.

Warme Salzwasserquellen
Begünstigt wurde dieses Phänomen durch die warmen Salzwasserquellen im Nordwesten des Sees. Aufgrund der höheren Dichte sammelt sich das Salzwasser am Boden des Sees und verhindert, dass die obere Wasserschicht in kalten Jahreszeiten absinken kann. Die kalte Wasseroberfläche schwimmt förmlich auf dem warmen Salzwasser und kann somit wesentlich leichter gefrieren. Aus der Distanz betrachtet mag es für die Jünger so ausgesehen haben, als ob Jesus tatsächlich auf dem Wasser lief. Der Gang über das Wasser ist somit ein Wunder, dass nach langen Untersuchungen tatsächlich möglich wäre. Doch wie sieht es mit den Wunderheilungen Jesu aus? Sind auch sie wissenschaftlich erklärbar?

Das Markusevangelium nennt acht Menschen, die Jesus von ihren Krankheiten befreit. Unter ihnen befindet sich auch der blinde Bettler Bartimäus aus Jericho. Als dieser erfährt, dass Jesus in der Nähe ist, ruft er so lange nach ihm, bis Jesus ihn erhört und schließlich von seinem Leiden befreit.

Der Placebo-Effekt
Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Heilung des blinden Bettlers auf dem Placebo-Effekt beruht. In Medikamentenstudien wird immer wieder festgestellt, dass Patienten genesen, obwohl sie ein Medikament ohne medizinischen Wirkstoff eingenommen haben. Allein der Glaube an die Heilkraft des Präparates scheint das Leid zu lindern. Ähnlich könnte es auch bei Bartimäus gewesen sein. Allerdings ist dies nur möglich, wenn es sich bei seiner Erblindung um eine „Hysterische Blindheit“ gehandelt hat.

Blindheit kann Einbildung sein
Eine „Hysterische Blindheit“ kann nach einem schweren seelischen Schock eintreten. In diesem Fall gibt es keinen organischen Grund für die Blindheit. Die „Hysterische Blindheit“ wird heutzutage von einem Psychotherapeuten behandelt. Zwar ist nicht bekannt, unter welcher Form der Blindheit Bartimäus gelitten hat, jedoch würde eine psychische Erkrankung das Wunder Jesu auch auf wissenschaftliche Art und Weise erklären. Andere Wunder Jesu werfen jedoch viele weitere Fragen auf. Wie hat Jesus Tote wieder zum Leben erweckt?

Eines der unglaublichsten Wunder Jesu ist die Erweckung des Lazarus von den Toten. Im Johannesevangelium wird erzählt, wie Jesus vom Tod seines Freundes erfährt. Er ist erschüttert und lässt sich zu der Grabhöhle führen. Zunächst weigern sich die Angehörigen des Toten, das Grab zu öffnen. Die Bestattung liegt bereits vier Tage zurück und der Verwesungsprozess hat schon eingesetzt. Doch Jesus lässt sich nicht beirren. Als er vor der Grabhöhle steht, befiehlt er seinem Freund Lazarus aufzustehen und herauszukommen. Und so geschieht es auch.

Lähmendes Gift
Dr. Werner Kissling, Mediziner am Klinikum Rechts der Isar in München, vermutet kein Wunder, sondern einen Fall von Scheintod. Dieser Zustand kann durch Gifteinwirkung eintreten. Bekannt dafür ist beispielsweise das Gift des Kugelfisches. Es ruft eine vollständige, tagelange Lähmung hervor, wobei das Bewusstsein wach und klar bleibt.

Viele Fragen bleiben offen
Obwohl es eine medizinische Erklärung für die Wiederauferstehung des Lazarus gibt, bleibt unklar, wie er damit in Kontakt kommen konnte. Ist er möglicherweise durch ein ähnliches Gift in einen todesähnlichen Zustand versetzt worden? Und wie gelang es Jesus, genau zu dem Zeitpunkt zu erscheinen, als die Wirkung des Giftes nachließ? Diese Fragen bleiben offen. Ein weiteres Problem der Wissenschaft sind Berichte von der Heilung besessener Menschen. Wie war dies möglich?

Jesus heilte mehrere Menschen, die angeblich von bösen Geistern besessen waren. So beschreiben beispielsweise die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas die Austreibung einer ganzen Horde von Dämonen aus einem Mann, der in einer Höhle außerhalb der Stadt lebt. Ein Wort Jesu genügt, und die Dämonen fahren in mehrere Schweine, die daraufhin in einen nahegelegenen See stürmen und ertrinken. Konnte er mit seinen Fähigkeiten tatsächlich Dämonen austreiben?

Wahnvorstellungen
Heute würde man bei den meisten Besessenen, die in der Bibel beschrieben werden, eine schizophrene Psychose diagnostizieren. Die Krankheitssymptome ähneln auffallend der Beschreibung dieser psychischen Störung: irrationales Verhalten, Wahnvorstellungen, das Hören von Stimmen. Für solche Fälle benötigt man heutzutage eine Therapie und starke Psychopharmaka. Somit konnte auch Jesus nach modernen medizinischen Kriterien die Betroffenen nicht heilen. Die einzige – wissenschaftlich nicht anerkannte – Heilmethode, die mit der Vorgehensweise Jesu vergleichbar ist, heißt Exorzismus.

Die Heilmethoden der Kirche
Geister- und Dämonenaustreibung gibt es in vielen Kulturen. Auch die katholische Kirche bildet noch heute Exorzisten aus. Diese Methoden sind unter Wissenschaftlern sehr umstritten, da deren Meinung nach Besessenheit durch einen Geist nicht existiert, sondern lediglich Geisteskrankheiten wie Schizophrenie oder Epilepsie mit schizophrenen Begleiterscheinungen.

Die unzähligen Wunder Jesu
Die Evangelisten berichten, dass Jesus noch viele weitere Wunder vollbracht hat: etwa die Verwandlung von Wasser in Wein oder die Vermehrung von Brot und Fischen. Einige der Wunder lassen sich wissenschaftlich und medizinisch erklären, andere erscheinen eher wie Legenden, die entstanden sind, um die Göttlichkeit Jesu zu betonen. Was letztendlich jedoch die Wahrheit ist, bleibt weiterhin eine Glaubensfrage.

>>Der Glaube an die Wahrheit beginnt mit dem Zweifel an allen bis dahin geglaubten Wahrheiten.<< Friedrich Nietsche.